Mehr Zeit für (Beziehungs-)Pflege

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Der 12. Mai ist der internationaler Aktionstag der Pflegekräfte. Er geht zurück auf den Geburtstag der britischen Krankenschwester Florence Nightingdale, die als Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege gilt. An dem Tag finden verschiedene Aktionen statt, die häufig mit politischen Forderungen einhergehen. Bei der alsterdorf assistenz ost arbeiten derzeit knapp neunzig Pflegefachkräfte. Hier erbringen Sie vorrangig Leistungen im Bereich der Eingliederungshilfe. Was das konkret bedeutet und warum dieses Arbeitsfeld für einige besonders attraktiv ist, erklärt Alexandra Frodermann, Fachbereichsleitung für Assistenz, Pflege und Qualitätsmanagement.

 

Der Begriff Pflege klingt für Laien erstmal ziemlich allgemein. Welche pflegerischen Leistungen werden in der aaost genau erbracht?

Tatsächlich beschreibt Pflege nicht nur ein Berufsfeld, sondern auch einen rechtlichen Anspruch nach dem Sozialgesetzbuch (SGB). Die alsterdorf assistenz ost hat eine Zulassung als ambulanter Pflegedienst und erbringt Leistungen im Rahmen der Eingliederungshilfe (SGB IX) als auch der sozialen Pflegeversicherung (SGB XI). Letztere bieten wir in Form der sogenannten integrierten Assistenz an. Das bedeutet, das Assistenz- und Pflegeleistungen von einem Team erbracht werden. Das hat den Vorteil, dass die Tagesabläufe der Klient*innen nicht durch Schnittstellenproblematiken unterbrochen werden.  In der besonderen Wohnform, das ist das ehemalige stationäre Wohnen,  werden die pflegerischen Leistungen direkt durch die Eingliederungshilfe erbracht. Wenn jemand in der besonderen Wohnform einen pflegerischen Bedarf hat, kann dieser nicht über die Pflegekasse abgerechnet werden, sondern findet sich in den Leistungsstufen / Hilfebedarfsgruppen wieder.

 

Ist die integrierte Assistenz  an allen Standorten verfügbar?

Nein, denn die Pflegeleistungen gehen mit besonderen Auflagen und Qualitätsanforderungen einher. Insgesamt bieten wir diese an sieben verschiedenen Standorten an. Obwohl wir gesetzlich als ambulanter Pflegedienst gelten, sind unsere Teams nicht wie andere mobile Pflegedienste im Stadtteil unterwegs, sondern zentrieren sich in unseren Wohn- und Assistenzangeboten, in denen mehrere Klient*innen in ihren eigenen Wohnungen leben. So entfallen Fahrtwege und die Klient*innen haben immer eine Ansprechperson vor Ort.

 

Welche Aufgaben fallen unter die genannten Pflegeleistungen?

Das sind vor allem grundpflegerische Tätigkeiten, z.B. Hilfe beim Waschen und Duschen, allgemeine Körperpflege, Hilfe beim Anziehen und beim Wechseln von Inkontinenzmaterialien. Darüber hinaus leisten Pflegefachkräfte, die bei uns in der Eingliederungshilfe tätig werden, oft pädagogische Arbeit, wenn sie beispielsweise eine persönliche Assistenz übernehmen. D.h., sie begleiten den gesamten Alltag der Klient*innen vom Aufstehen und Frühstücken über Arzt- und Behördengänge bis hin zu verschiedensten Freizeitaktivitäten und befähigen sie ihr, Leben so selbstbestimmt wie möglich zu führen.

 

 

Brauche ich dafür nicht eine spezielle Ausbildung?

Eine Ausbildung im pflegerischen oder pädagogischen Bereich ist auf jeden Fall wünschenswert, wir beschäftigen jedoch auch  angelernter Kräfte. Wichtig ist, dass sich ein Team mit seinen Kompetenzen ergänzt und dass die Beziehung zwischen Klient*in und Assistent*in stimmt. Natürlich haben Klient*innen das Recht,  bei der Wahl ihrer Assistent*innen mitzusprechen- dies geschieht meistens mehr auf Grund persönlicher Beweggründe anstatt  aufgrund von fachlichen Qualifikationen.

Es gibt also keinen konkreten Ausbildungsgang, der auf die Pflege in der Eingliederungshilfe vorbereitet?

In Hamburg leider nein. Dem am nächsten kommt vermutlich die Ausbildung als Heilerziehungspfleger*in. Obwohl der Name dies vermuten lässt, kommt das Thema Pflege hier jedoch kaum vor. Es handelt sich vielmehr um eine pädagogische Ausbildung. Das betrifft genauso Erzieher*innen.
Auch wenn unsere Mitarbeitenden verschiedene fachliche Hintergründe haben, sind die Kompetenzen unserer ausgebildeten Pflegefachkräfte extrem wichtig, um unsere hohen pflegerischen Standards wahren zu können. Diese dreijährige Ausbildung als Alten- oder Krankenpfleger*in hat eben ihre Berechtigung.

 

Inwiefern unterscheidet sich die Pflege in der Eingliederungshilfe von der in der Alten- oder Krankenpflege?

Aus moderner wissenschaftlicher Perspektive gibt es keine Unterschiede. In allen Bereichen gilt ein ganzheitlicher Ansatz, bei dem es vor allem darum geht, die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der zu pflegenden Person zu fördern. Natürlich macht es aus biografischer Sicht jedoch einen Unterschied, ob diese Person aufgrund von Einschränkungen im Alter gepflegt werden muss – sie also durchaus Selbstständigkeit erlebt hat – oder ob sie bereits von Geburt an einen Unterstützungsbedarf hatte.

 

Aber auch das Arbeitsumfeld ist ja ein anderes als z.B. auf der Intensivstation?

Absolut! In der Eingliederungshilfe ist man deutlich seltener mit Tod und Krankheit konfrontiert. Und es fehlt, zumindest bei uns, die klassische Behandlungspflege (SGB V). Das kann man je nach Selbstverständnis gut finden oder auch nicht. Spannend wird es m.E. dann, wenn man sich auch für die pädagogischen Aspekte bzw. die langfristige Beziehungsarbeit mit Erwachsenen Menschen interessiert. Man hat insgesamt mehr Zeit - mehr Zeit für einzelne Arbeitsabläufe, aber vor allem mehr Zeit, einen einzelnen Menschen zu begleiten. Das empfinden viele Mitarbeiter*innen als sehr bereichernd.

 

Warum fällt es dennoch so schwer, Pflegefachkräfte für die Eingliederungshilfe zu gewinnen?

Zum einen gibt es da den ganz allgemeinen und nicht wegzudiskutierenden Fachkräftemangel. Ich glaube jedoch auch, dass die Eingliederungshilfe als potentielles Berufsfeld einfach noch zu wenig bekannt ist. Menschen mit Behinderung haben einfach keine große Lobby. Alt werden betrifft uns alle – einen Menschen mit Behinderung kennt nicht jede*r von uns persönlich. Manchen werden die grundpflegerischen Aufgaben möglicherweise zu wenig anspruchsvoll sein. Dabei finde ich, kann man an dieser Stelle so viel bewirken. Es geht nicht nur um die oder den Klient*in, sondern auch um gelebte Inklusion – das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der unsere Mitarbeiter*innen maßgeblich beteiligt sind.

 

Was macht die alsterdorf assistenz ost als Träger besonders?

Unsere fachlichen Standards und Qualitätssicherungsmethoden sind sehr hoch angesetzt. Das Thema Multiprofessionalität hat für uns eine besondere Bedeutung: Wo manche Teams sich manchmal im Konkurrenzdenken zwischen Pflege- und Pädagogikkräften verstricken, versuchen wir, allen Mitarbeitenden Wertschätzung für ihre Kompetenzen entgegenzubringen. Zu uns kommt man, um sich selbst und andere weiterzuentwickeln. Hierzu gibt es z.B. auch tolle Weiterbildungsangebote für die Themen persönliche Assistenz und Sozialraumorientierung. Da ich selbst aus dem pflegerischen Bereich komme, freue ich mich immer, wenn sich neue Pflegefachkräfte für die Eingliederungshilfe und natürlich für uns als Arbeitgeber interessieren.

 

Interviewpartnerin

Alexandra Frodermann
Fachbereichsleitung Assistenz, Pflege und Qualitätsmanagement

Telefon:

040. 69 79 81 56

Mobil:

0174. 301 32 56


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