Kommunikation per Augenkontakt

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Wollen wir Gespenster abschießen?“ Sarah rutscht näher an Mayas Rollstuhl. Maya (Name geändert) ist 13 Jahre alt und lebt seit 2015 mit ihren Eltern und ihrem Bruder in einem Wohn- und Assistenzangebot für Menschen mit Behinderung in Alsterdorf. Ihre Assistentin Sarah trifft sie einmal pro Woche nach der Schule, um mit ihr zu spielen, kurze Ausflüge zu machen und an ihrer Kommunikationsfähigkeit zu arbeiten.

Maya und ihre Familie sind vor sieben Jahren aus Syrien nach Deutschland geflohen. Damals war Maya gerade mal sechs Jahre alt und passte aufgrund ihrer Entwicklungsstörung noch in einen Kinderwagen. Heute sitzt sie in einem speziell auf sie eingestellten Rollstuhl. Unterschiedliche Bewegungs- und Entwicklungsstörungen beeinflussen nicht nur ihre Motorik, sondern auch ihre geistige Entwicklung, was sich u. a. dadurch ausdrückt, dass sie über keine Lautsprachen-ähnliche Kommunikation verfügt.

Maya und Sarah sitzen nebeneinander und schielen auf den Monitor, der in Mayas Augenhöhe am Rollstuhl montiert ist. Der Tobii ist ein Sprachcomputer (Talker), der sowohl per Touchscreen als auch über Augensteuerung bedient werden kann. Der Sensor am Bildschirmrand ist exakt auf Mayas Augen ausgerichtet, sodass allein sie diese Funktion nutzen kann. Über das Windows Betriebssystem können auf dem Gerät diverse Apps und Spiele installiert werden. Das Kommunikationsprogramm Snap zum Beispiel übersetzt grafische Symbole in Lautsprache. Fixiert Maya ein Symbol, redet „Tobii“ drauflos und vermittelt den Menschen im Umfeld, was Maya möchte – so zumindest der theoretische Hintergedanke. In der Praxis lernt Maya noch, die Begriffe in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Der Sprachcomputer dient ihr also eher, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

„Wenn ich mit Mayas Eltern am Tisch sitze und Behördenkram bespreche, dann kommt es öfter vor, dass Maya uns willkürliche Ausdrücken zuwirft“, erzählt Sarah und wirft Maya einen neckischen Blick zu. Ihre großen braunen Augen strahlen zurück. Doch auch zum Spielen ist Tobii wunderbar geeignet. Maya hat eine Auswahl von Lieblingsspielen, die alle nach demselben
Prinzip funktionieren: Es bewegen sich verschiedene Gegenstände durch das Bild, die Maya fixieren muss, um eine bestimmte Reaktion auszulösen. Beim GespensterAbschießen geht es naheliegenderweise darum, die über den Bildschirm fliegenden Geister etwa eine Sekunde lang anzuvisieren und so zu bekämpfen. Eine ähnliche Variante gibt es mit Luftballons, die Maya
per Augenkontakt zum Platzen bringt. Am beliebtesten ist jedoch das Spiel, bei dem Maya ihre Assistent*innen und Familienmitglieder mit Torten bewerfen kann. Dafür wurden Porträtfotos von ihren Bezugspersonen in der App hinterlegt, die nun ähnlich den Gespenstern und Luftballons umher ziehen und die Maya durch einen intensiven Blick mit Torten bewerfen kann.

„Das Verwenden von vertrauten Gesichtern hilft Maya dabei, sich zu konzentrieren“, erklärt Sarah. „Überhaupt spielen Gesichter, oder besser gesagt Mimik, eine zentrale Rolle in Mayas Verständigung. Sie kann Emotionen an der Mimik ihres Gegenübers ablesen und zurückspiegeln. Außerdem kann sie durch Lachen oder Schnaufen sehr deutlich zum Ausdruck bringen, ob sie fröhlich, gelangweilt oder unzufrieden ist.“ Maya besucht tagsüber die Kurt-JusterSchule für körperliche und motorische Entwicklung, die ganz in der Nähe von ihrem Zuhause ist. Neben umfassenden physiotherapeutischen Maßnahmen werden hier auch Mayas kommunikative Fähigkeiten gefördert. „Der Alltag mit einem behinderten Kind bzw. Teenager braucht klare Strukturen und eine Handvoll fester Bindungspersonen“, erklärt Sarah. Zwei Nachmittage die Woche verbringt Maya mit ihren Assistent*innen, die sie von der Schule abholen und somit auch die Familie ein wenig entlasten. „Mayas Mutter kümmert sich sehr intensiv um sie. Es ist aber wichtig, dass sie auch mit anderen Menschen in Kontakt kommt, um andere Eindrücke zu sammeln und sich weiterzuentwickeln“, sagt Sarah.

Das Thema Unterstützte Kommunikation, hier per Sprachcomputer, begleitet Maya nun schon seit einigen Jahren. Zuvor war es ihr unmöglich, auf verbaler Ebene mit ihrem Umfeld zu kommunizieren, wenngleich der Inhalt ihrer Sätze noch keinem konkreten Bedürfnis zuzuordnen ist. „Entscheidend ist, dass wir dranbleiben und Mayas Umfeld lernt, den Talker gezielt einzusetzen. In der Assistenz sprechen wir hierbei von Modeling, also einem bewussten Vorleben, wie man bestimmte Instrumente nutzt, um sich verständlich zu machen“, berichtet Sarah.

„Aktuell geht es für Maya aber vor allem darum, zu lernen, dass sie durch eine bestimmte Aktion, in ihrem Fall Augenkontakt, eine Reaktion hervorrufen kann. Ich reagiere auf jeden zerplatzten Luftballon und feiere jede geworfene Torte, um zu zeigen, dass sie mit ihrem Umfeld interagieren kann. Das hat sehr viel mit Selbstbestimmung und auch Teilhabe am sozialen Miteinander zu tun. Maya konzentriert sich ruhig auf das vorbeifliegende Foto von Sarahs Gesicht, woraufhin ihr eine Torte ins Gesicht fliegt. „Ja, auch diese Art von Miteinander“, grinst Sarah.


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